Am 6. November sprach unser Bundestagpräsident im Konzil zum Beginn des Konstanzer Konzils, vor 600 Jahren.
Im Südkurier fand diese Rede folgende Überschrift:
Entzauberung eines Weltereignisses
Dies ist mein Versuch dieses Ereignis in seiner echten Bedeutung darzustellen.
Die Geschichte des Konzils muss man unter folgenden Blickrichtungen betrachten:
König Sigismund war mit fast 40 Jahren ein ausgefuchster Diplomat. Seine Interessen waren rein auf seinen Herrschaftsanspruch gerichtet. Dabei war ihm die Kirchenspaltung sehr hinderlich.
Die Lage im Reich war unerträglich geworden. Sie war voller politischer Spannungen und Kriege. In Böhmen war ein national revolutionärer Aufbruch im Gange. Die Hinrichtung der Reformer Johannes Hus und Hyronimus von Prag lösten lange Glaubenskriege aus. Betrachte ich die theologische Seite des Konzils, verliert dieses Ereignis schnell an Bedeutung.
Die Eckpunkte aus theologischer Sicht:
König Sigismund überzeugte Papst JohannesXIII, dass die Kirche reformiert werden muss und es nur einen Papst geben kann.
Johannes fand die Idee mit nur einem Papst super. Er reiste mit den meisten Kardinälen an und war überzeugt, dass er gewählt wird. Dieses ging völlig in die Hose.
Die Konzilteilnehmer teilte man nach Nationes ein, eine sehr grobe Aufteilung, nicht zu verwechseln mit unserem heutigen Nationenbegriff. Diese Einteilung sollte das Übergewicht der italienischen Konzilteilnehmer verhindern. Nicht die Kardinäle wählten den Papst, sondern Kleriker und Laien.
Zusammengefasst wurde in der Dekret Haec sankta festgelegt wer den Papst wählt und ob das Konzil über dem Papst, oder der Papst über dem Konzil steht .
Hier fand man eine Regelung die nur bis zur Wahl anhielt. Die Entscheidung, dass das Konzil über dem Papst steht, war für den weiteren Verlauf eine grundsätzlich notwendige Voraussetzung.
Es gab 3 Päpste, welcher sollte über allem stehen? folgende Regelung wurde vereinbart.
„Diese im Heiligen Geiste rechtmäßig versammelte Synode, die ein allgemeines Konzil darstellt und die streitende katholische Kirche repräsentiert, hat ihre Vollmacht unmittelbar von Christus; ihr ist jedermann, welchen Standes oder welcher Würde auch immer, auch wenn es die päpstliche sein sollte, gehalten zu gehorchen in dem, was den Glauben, die Ausrottung des besagten Schismas und die allgemeine Reform dieser Kirche Gottes an Haupt und Gliedern betrifft.“
Die wichtigen theologischen Fragen wurden unter der causa fidei zusammengefasst. Die Streitpunkte konnten nicht endgültig geklärt werden.
Die allseits als dringend empfundene Reform der Kirche zusammengefasst in der causa reformationis wurde in Angriff genommen, aber nicht zum Ziel geführt. Martin Luther 80 Jahre später unnötig.
Die nicht geklärten Fragen wurden zwischen 1431- 1449 (18 Jahre) auf dem Konzil zu Basel mit Fortsetzung in Lausanne, Ferrara und Florenz behandelt. Auch ohne Erfolg. Es gab danach 2 Päpste.
Trotz allem das Konzil zu Konstanz war ein Weltereignis, aber kein Theologisches.
Das Konstanzer Konzil vor 600 Jahren war eine rücksichtslose Instrumentalisierung für politische Zwecke. Mit den Begriffen wie Reformation und Restauration wurde das Konzil gerne in Verbindung gebracht. Dieses ist damals nicht gelungen.
Wie entsorgt man 3 Päpste ?
Den stärksten ( Baldasare Cossa ) Papst Johannes XXIII machte man zu seinem Verbündeten, solange man ihn benötigte. Am 22.12.1413 trafen sich Sigismund und Johannes in unserer Patenstadt Lodi.
Auf dem Konzil zu Konstanz war es möglich Johannes XXIII durch die neue Wahlordnung abzusetzen, dieses nahm er nicht zur Kenntnis. Erst das Gerichtsverfahren machte ihm deutlich, dass es aus ist. Als Bote verkleidet ergriff er die Flucht. Man erzählt, dass er in Ermatingen von der Gemeinde und dem Lehrer freundlich aufgenommen und mit dem typischen Unterseefisch, dem Gropp, bewirtet wurde. Zum Dank spendet er den Ermatingern mitten in der Fastenzeit die Fastnacht. Seither ist die Groppen-Fastnacht in Ermatingen die letzte Fastnacht auf der Welt. Sie findet am Sonntag Lätare, also 3 Wochen vor Ostern statt.
Perdo de Luna Papst Benedikt XIII verweigerte die Anreise nach Konstanz. Sigismund blieb keine Wahl. Er, reiste kurzerhand nach Narbonne in Südfrankreich und versuchte den Papst zum Rücktritt zu bewegen. Ohne Erfolg. Pedro de Luna floh von Avignon nach Pensicola in Spanien. Sigismund und seine Fürsten verweigerten ihm die Unterstützung. So wurde er gezwungen aufzugeben. Pedro de Luna blieb bis zu seinem Tod in Pensicola.
Angelo Correr Papst Gregor VII gab aus Altersgründen freiwillig sein Amt auf.
Am 08. Nov. 1417 wurden 53 Wahlberechtigte in einer feierlichen Prozession vom Pfalzgarten in das Kaufhaus am See geführt. Jeder Boden bekam ein „Heimliches Gemach“. (WC) Im Erdgeschoss wurde eine Kapelle eingerichtet. Die Zellen wurden durch Vorhänge abgeteilt. Die Fenster waren zugemauert.
Nach dem Ruf EXTRA OMNES, (hinaus alle) wurde die Tür verschlossen der oberste Wächter, Hochmeister von Rhodos, ließ sich mit 2 Fürsten, die die Schlüssel trugen vor der Türe nieder und wachte Tag und Nacht. Dort war auch ein Tisch für die Essenswächter aufgestellt. Diese hatten zu verhindern, dass Nachrichten geschmuggelt werden konnten.
Am 11.11. wird der Italiener Oddo Colonna zum Papst gewählt er nimmt den Namen des Tagesheiligen an: Martin V
Glaubt man Richenthal, sollen 80.000 Menschen die Prozession zum Pfalzgarten begleitet haben. In den nachfolgenden Tagen erhielt er in der Pfalzkapelle seine Diakonen und Priesterweihe. Am 14.11 hält er seine erste Messe im Münster. Es ist der 21.11. also 10 Tage nach seiner Wahl wird er zum Bischof geweiht.
Über Johannes Hus gäbe es auch sehr viel zu erzählen, ich möchte mich heute darauf beschränken, dass Hus mit einem Begleitbrief reiste, den er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht hatte. Dieser garantierte auf der Hin und Rückreise freies Geleit. Er musste also keine Straßen, Brückenzölle bezahlen und hatte, freie Übernachtung und Verpflegung, mit der Auflage, er dürfe nicht Predigen. Hus predigte unterwegs, und kam in Konstanz schon als Superstar an. Ehe er sein Zimmer bei der Witwe Fida Pfister bezog predigte er schon auf dem Münsterplatz. Vom König beauftragte Schutzherren begleiteten Hus.
Sein Rechtsberater Dr. Jesenitz konnte nicht mitreisen, er war Exkommuniziert und durfte sich nicht nach Konstanz wagen.
Vor einer Woche war es genau 600 Jahre her, dass 3 königliche Gesandte Hus in seiner Wohnung in der St. Paulsgasse, heute Hussenstr. abholten. Fast gleichzeitig mit Huss hatten sich seine Böhmischen Gegner eingefunden und dem Papst ihre Anklageschrift übereicht.
Um Hus den Kardinälen vorzuführen, wurde er nun zur Bischofspfalz beim Münster gebracht. Obwohl der König ihm am 18.10.1414 freies Geleit versprochen und der Papst am 4.November die gegen ihn verhängten Kirchenstrafen aufgehoben hatte, nahm man ihn sofort gefangen. Nach einer Woche Haft im Haus des Domkantors beim Münster wurde er im Turm des Dominikanerklosters (heute Insel Hotel) eingekerkert und kam nie wieder frei.
Seine Gesundheit verschlechterte sich in kürzester Zeit derart, dass man Sorge hatte den Prozess durchzuführen. Deshalb wurde Hus bis zu seinem Prozess ins Gottlieber Schloss gebracht.
Seine Gegner waren nicht die Päpste, sondern die Professoren und geistigen Führer in Prag.
Es ging im Prozess nicht um die Ideen von Hus, sondern man unterstellte ihm, dass er die Vorstellungen von Wyclif predigte. Dieses war an der Uni in Prag Ketzerei.
Zum Verständnis über das Verhältnis Sigismund zu Hus ist folgendes anzumerken:
Die Affäre Hus war für den König eine völlig unwichtige Sache. König Sigismund war Luxemburger wie sein Halbbruder, König Wenzel in Prag. Wenzel war kinderlos und schon einiges älter. Sigismund spekulierte darauf seinen Halbbruder beerben und Böhmen seinem Reiche zuführen zu können. Dieses war nicht möglich, so lange in Prag an der Uni Ketzer predigten.
Die Prager beschuldigten Hus und später Hyronimus von Prag der Teufelsanbeterei, die Dominikaner „Spürhunde des Teufels“ “ Canes Domint“ genannt, glaubten den Gegnern von Hus, dass er Kröten anfasse, Leichen küsse und vieles mehr. Sigismund versprach Hus, dass er zu Wort kommt und seine Vorstellungen verteidigen darf. Bei der Anhörung wurde Hus niedergebrüllt. Im Hintergrund hörte man Hus sagen. “ich glaubte das Konzil sei etwas kultivierter“. Der Streit mit Hus wäre im Sand verlaufen, wenn nicht seine Böhmischen Gegner auf die Verurteilung bestanden hätten. Das Konzil musste seine Macht und Glaubwürdigkeit beweisen und so kam es dass Hus musste brennen musste.
Am 17.12.1999 wurde Hus von Papst Johannes Paul II von der Ketzerei freigesprochen.
Weltereignis
Womit begründe ich diesen Begriff. König Sigismund war als Reisender des Konzils in der damaligen Europäischen Welt unterwegs. Erstaunlich sind die zurückgelegten Kilometer ohne Flugzeug, Bahn Auto oder sonstigen Verkehrsmittel. Aber immer mit einer Streitmacht mit 200-400 Mann. Ein König musste sich auch durchsetzen können. 4
Einige seiner Reiseziele
- Lodi Treffen Johannes XXIII in Aachen war seine Krönung. Er kam deshalb auch in Konstanz verspätet an.
- Laufenburg, Breisach Johannes XXIII einfangen Narbonne.
- Verhandlung mit Benedikt XIII / Avignon Paris / England / Prag / Polen den Ärger zwischen der Kirche und ihren Gehilfen der Deutschordensritter und den Polnischen Adel schlichten, dazwischen immer auf dem Konzil in KN
An den Reisen lässt sich ableiten, wie wichtig das Konzil für seinen Herrschaftsanspruch war. Treffend ist diese Situation in der Biographie „Ich Wolkenstein“ von Dieter Kühn beschrieben.
Weshalb Konstanz
Die Voraussetzungen, Konstanz als Tagungsort für das Konzil zu wählen waren optimal: die Handelskontakte Richtung Italien, die Staufischen Friedensschlüsse, die zentrale Funktion als Bischofsstadt der Friedensschluss 1408 (Barbarossa) zeigten, dass Konstanz sich als Kongressstadt bewährt hat. So wurde der Papst am 22.12.1413 überzeugt, die dringend anstehenden Lösungen für die Probleme der Kirche in einer Stadt des Reiches und damit nördlich der Alpen zu suchen.
Konstanz galt als groß und reich, zentral in Europa gelegen und gut zu erreichen.(Nicht wie heute Deutschlands letztes Zipfele). Die Zufuhr von Lebensmittel konnte über den See bestens organisiert werden und der regionale Adel garantierte den Schutz. König Sigismund war immer in Geldnot, auch in Konstanz konnte er seine Schulden nicht bezahlen deshalb suchte er sich eine Reiche Stadt für diesen Kongress .
Schon zu dieser Zeit war es in Konstanz teurer als im Rest des Reiches. Oswald von Wolkenstein reimte damals „Denk ich an den Bodensee, tut mir gleich mein Beutel Weh“.
Logistik
In weiser Voraussicht regelten Kommissionen, zusammengesetzt aus königlichen Gesandten (zu meist Schwäbische Adelige)(die Sache mit dem Einfluss der Schwaben in Konstanz hat sich bis heute noch nicht geändert), päpstliche Berater und dem Rat der Stadt. Sie ließen Vorräte anlegen, setzten die örtliche Zunftordnung für die Dauer des Konzils außer Kraft, erlaubten fremden Händlern und Handwerkern besonders Geldwechsler in der Stadt ihrem Beruf nachzugehen.
In fahrenden Pizzaöfen wurden von Italienischen Pizzabäckern die köstlichsten Backwaren feilgeboten. Wenn wir heute durch die Stadt gehen sehen wir, dass die Pizzabäcker inzwischen nicht mehr mit einem „ambulanten Ofen“ durch die Stadt ziehen. 5 Die Pizza wird inzwischen zentral gebacken und mit modernen Fahrzeugen ausgeliefert.
Es musste in Konstanz schnell nachgebessert werden, da der Ansturm viel größer als erwartet war. So mancher Herr musste trotz hoher Bezahlung froh sein, wenn er ungemütlich in einem Schopf schlafen durfte.
Die Belastung für die Stadt war enorm. Konstanz zählte zu diesem Zeitpunkt zwischen 6.000 und 8.000 Einwohner. In Spitzenzeiten dürften 30.000 Gäste in der Stadt gewesen sein. Durchgängig rechnete man mit 20.000 Besucher. Jetzt kann man sich vorstellen, wie sich die Weltsicht verändert hat. Die vorwiegend Italienischen Geldwechsler revolutionierten Ihr Geschäft. Vieles was heute im Bankwesen üblich ist wurde in Konstanz schon praktiziert. Handwerker und Händler tauschten sich aus und lernten voneinander. Hunderte Künstler, Gaukler, Musiker trafen sich und profitierten von der Vielseitigkeit. Es gab die ersten Papiermühlen, die nächste war in Ravensburg. So konnte alles aufgezeichnet und Briefe verschickt werden.
Bücher wurden vervielfältigt. In der Stefanskirche saßen duzende mit Papier und Schreibgerät bewaffnete Schreiber Der Vorleser musste so langsam lesen, dass man mitschreiben konnte. Ein reicher Zugereister aus dem Schweizer Ort Richenthal protokollierte alles was er für wichtig ansah.
Was wir heute über das Konzil wissen, stammt meist aus seiner Chronik.
Der Richenthal-Chronik
Es sind noch mehrere Chroniken vorhanden. Die Teuerste befindet sich in New York Schätzwert 2,5 Millionen. Weitere kann man in Zürich, Wolfenbüttel/ Wien/ St. Gallen/ Stuttgart/ Prag/ Lindau/ Karlsruhe/ Innsbruck und Konstanz bestaunen. In Konstanz musste König Sigismund auch in einem Hurenaufstand schlichten. Als die Bürgerinnen von Konstanz den Damen Konkurrenz machen, sind die Huren Madeleine und Nadja total sauer. Gemeinsam organisierten sie den Aufstand und zwingen den König zu einer Stellungnahme. Der König entschied, dass Bürgerinnen die sich dem Liebesdienst hingeben in Zukunft ihre Bürgerechte verlieren. Sie müssen gelb tragen und vor der Stadt wohnen.
Konstanz war Dreh- und Angelpunkt, bei der Neuverteilung der Pfründe. Alle kirchlich- und weltlich Mächtigen, die Pfründe zu sichern oder verteilen hatten, waren anwesend. Es war Usus sich seine Zusage mit Datum abzusichern. Bei diesem gewaltigen Ansturm auf Posten, Ländereien, Bischofsitze gab es oft doppelte und mehrfache Zusagen. Den rechtlichen Anspruch hatte nur der Besitzer ältesten Zusage.
Die Herzöge von Orleans und Burgund kämpften um die Macht des Französischen Königtums. Der Burgunder Herzog Johann ohne Furcht ermordete mit List Ludwig von Orleans. Auf dem Konstanzer Konzil wollte sich Johann ohne Furcht diesen Mord als Tyrannenmord rechtfertigen lassen. Dieses wurde nicht anerkannt.
Zusammengefasst
Die große Kirchenversammlung zu Konstanz stellte einige Rekorde auf:
- Sie war das längste Konzil, das durchgehend tagte, sie endete mit der einzigen Papstwahl auf deutschem Boden, sie war das wichtigste Weltereignis in der kleinen Stadt Konstanz am Bodensee.
- Die entscheidende Leistung der Konzilsväter bestand in der Überwindung der Spaltung, die sich aus dem Exil des Papstes in Avignon (1309-1376) ergab.
- Das 600-jährige Jubiläum rückt die politische Bedeutung Europas und seiner christlichen Wurzeln ins rechte Licht.
Roland Saile 06.12.2014
Quellen
- Johannes Hus von Peter Hilsch
- Das Konstanzer Konzil von Klaus Schelle
- Die Geschichte der Christen von Arnulf Zitelmann
- Das Konstanzer Konzil (Aus Weltereignsse des Mittelalters) K-h. Braun Hans w. Huber Joachim Schneider und Thomas Zotz
- Konstanz 2000 Jahre Geschichte von Ralf Seufert
- Das Konstanzer Konzil Kompakt Herausgeber Katholisches Dekanat Konstanz